Städte und Regionen.
Ihr kultureller Auftrag für Europa und seine Umsetzung
Den Städten und Regionen kommt mit Blick auf ihre zentrale Verantwortung für die Kultur beim Zusammenwachsen Europas eine wichtige Rolle zu. Vor diesem Hintergrund hat die Initiative „A Soul for Europe“ in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kulturhauptstadt Ruhr 2010 sowie herausragenden Vertretern und Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen einen Leitfaden erarbeitet, der die Städte und Regionen bei der Wahrnehmung ihres europäischen Auftrags unterstützen soll. Der Leitfaden enthält eine Fülle von Informationen zum Themen¬komplex, wissenschaftliche Beiträge und kritische Anmerkungen sowie konkrete Beispiele und Leitfragen, anhand derer sich die Städte und Regionen orientieren können.
Um den europäischen Auftrag in diesem Sinne wahrnehmen zu können, müssen Städte und Regionen ihr kulturelles Potential in der ganzen Bandbreite mobilisieren. Dabei ist nicht entscheidend, was eine Stadt oder Region an Kultur besitzt, sondern was sie mit ihrem Besitz und ihrem Potential macht. Das besondere kulturelle Profil ist zu erhalten und zu stärken, dabei ist Sorge zu tragen, dass allen Menschen – Einheimischen wie Fremden – ein kultureller Ort der Begegnung, der Kommunikation und der Bildung zur Verfügung steht.
Die sechs Felder im Einzelnen:
1. Herausragendes kulturelles Profil
Dieses Feld ist das umfassendste und beinhaltet die besonders prägnanten Beiträge zur Kultur Europas. Was ist das herausragende kulturelle Profil einer Stadt oder einer Region. Was wird unternommen, um dieses Profil für die Gesamtentwicklung und Stärkung zu nutzen?
Beispiele: Ferrara – von der Industrieproduktion zur Kulturproduktion, Berliner Philharmoniker
2. Lieux de Mémoire – Europas Gedächtnis
Hierunter fallen konstitutive Orte und Gegenstände des transnationalen europäischen Gedächtnisses und ihre Einbeziehung in das kulturelle Profil einer Stadt bzw. Region. In manchen Städten und Regionen sehen wir Stätten (Bauwerke, Landschaften, Topographische Punkte), die von europäischer Aussagekraft sind.
Beispiele: Bastille, Auschwitz, Brandenburger Tor
3. Kulturelle Diversität
Eine der wesentlichen Kulturleistungen der Städte und Regionen ist die gesellschaftliche Integration von Menschen unterschiedlicher Kulturen. Hier lässt sich der Respekt vor Tradition und Moderne, vor Eigenem und Fremdem erkennen. Die kulturelle Diversität ist eine der größten Vorzüge Europas und zeigt, wie mit Offenheit und Toleranz große Herausforderungen im Zusammenleben vor Ort am besten zu meistern sind. Zu fragen ist: Wo wird Kulturelle Diversität gelebt und gefördert? Wie werden Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen gesellschaftlich integriert?
Beispiele: Tag des Dialogs in Rotterdam, Karneval der Kulturen in Berlin, Stadtteilmütter Neukölln
4. Konversion und Stadtumbau
Hierzu gehört die Umwandlung von Einzelstandorten zu Stadtgebieten, die Umnutzung baulicher Substanz zu neuen Zwecken. Wie meistern Städte und Regionen die Erfordernisse des Übergangs von der Industrie- in die Wissensgesellschaft? Es finden ein Stadtumbau und eine Konversion in wirtschaftlicher, technologischer, politischer und sozialer Hinsicht statt, die sich auf das Erscheinungsbild der Städte und Regionen und ihrer Menschen auswirkt. Durch diesen fundamentalen Strukturwandel verändern Städte und Regionen ihr Gesicht. Was geschieht mit nicht mehr benötigten Industriebauten, mit militärischen Anlagen, mit nicht mehr genutzten Wohn- und Schulbauten? Welche neuen Zweckzuweisungen können erfolgen?
Beispiele: Zeche Zollverein, Speicherstadt Hamburg
5. Grenzlandschaften
Hierunter fallen die Umwandlung von Grenzgebieten zu Bereichen intensiver Begegnungen und kulturellen Austausches, traditionelle Regionen grenzüberschreitender Kooperation und neue Aufgaben an neuen Grenzen. Grenznahe Teilregionen oder Teilstädte wachsen zu neuen Verbindungen zusammen. Grenzüberschreitungen sind möglich und erforderlich, zumindest erwünscht. Grenzlandschaften bieten neue Möglichkeiten und Perspektiven für die Bürger. Wie werden sie genutzt? Wie bilden sich neue Partnerschaften und Formen der alltäglichen Zusammenarbeit?
Beispiele: deutsch-polnische Grenzstadt Guben-Gubin, Luxemburg und Großregion, Wien-Bratislava, Ostsee-Raum
6. Europäisches Kulturerbe
Städte und Regionen sind europäische Akteure kraft ihres kulturellen Erbes. Das Europäische Kulturerbe – materiell und immateriell – manifestiert sich in unterschiedlichen Formen, nicht nur in bedeutenden Bauwerken der unterschiedlichen Stilepochen, spezifischen Landschaften, sondern auch in den allgemeinen Lebensformen, Religionen, regionalen Praktiken, Festen, Sitten und Gebräuchen, Sprachen, regionalen Dialekten, mimischen und gestischen Ausdrucksweisen, Pflege von Traditionen und Überlieferungen.
Beispiele: Brücke von Mostar, Route der Backsteingotik, Dudelsackfestival der keltischen Völker, die großen baltischen Sänger- und Tanzfeste